Sonja Eschefeld – Rede anlässlich der Eröffnung Bildhauerkunst beim Filmfestival

Sonja Eschefeld Bildhauerkunst zum Filmfestival

Arbeiten, weiterarbeiten, Formen finden, erfinden, Farbsplitter sortieren, dem täglichen Chaos ein Antlitz, wenigstens einen Rhythmus geben, eine Form, die man in die Hand nehmen, im wahrsten Sinne des Wortes begreifen kann. Figur, es wird immer wieder Figur. Geht es um Menschen, (und es geht immer um Menschen), dann wird es Figur. Obwohl: Figur, was soll das noch. Will das noch jemand wissen heutzutage? Formintelligenz, kann jemand das Wort noch buchstabieren? Dinosaurier ich, rettungslos der eigenen Gabe verfallen: Formulieren zu können, mit Material, mit Farbe… Doch egal, weiter geht’s, die Dinge warten auf ihr Entstehen. Nur ich kann es tun. Arbeiten, einfach immer weiterarbeiten, der Frage nach dem Sinn und dem Wirrwarr der Zeit Dinge zur Seite/ in den Weg stellen, Dinge die etwas erklären oder klären, für den, der es sehen will/ zu sehen vermag, oder doch zumindest für mich selbst und für den Moment.

Permanentes Bildhauerselbstgespräch, ich schreibe das und denke dabei an Sonja Eschefeld. Wir kennen uns kaum, ich ihren Namen schon länger, eine Annäherung geschieht nun gerade erst durch das Projekt dieser Ausstellung.

Ihr Atelier finde ich in Berlin unweit des Weissensees, das Haus etwas zurückgesetzt von der Straße, das Grundstück geradezu eingeklemmt zwischen zwei vielgeschossigen Mietshausgiebeln, es sieht so aus, als würden diese zu gern die Lücke zwischen sich tilgen. Ein bedrängtes Refugium.

Vielleicht erzeugt das den Schaffensdruck, der das Atelier von ständig dort entstehenden und wartenden Arbeiten, Skulpturen und Bildern, schier bersten lässt… Den Räumen sieht man an, dass dort jemand arbeitet mit großer Erfahrung, praktischem Verstand und: mit Freude am Tun. Alles ist gut organisiert, um auch große Arbeiten allein bewältigen zu können, die Betongüsse z.B. die vor Ort vom Ton abgeformt und selbst gegossen werden, da der Kran, dort die Rollwagen dafür. Arbeiten auch über die geringe eigene Kraft hinaus und das schmerzende Kreuz: Tricks und Übungen um den Rücken bei Laune zu halten, auch so ein permanentes Bildhauergespräch. Und bis in das letzte Nebengelass: Bilder, Skulpturen.

Vor diesem Atelierbesuch hatte ich Sonja Eschefeld erstmalig bei ihrer Preisverleihung in Neu Hardenberg gesehen im letzten Jahr und natürlich in Konrad Wolfs Bildhauerfilm „Der nackte Mann auf dem Sportplatz“. Dort wird sie von Kurt Böwe, dem Bildhauer Kemmel im Film, angesprochen, ob sie ihm Modell stehen würde. Sie entschwindet, ohne einen Ton zu sagen.

Nichts sagen zu haben, das ist ansonsten nicht ihr Problem. Es scheint geradezu ihren Lebensinhalt auszumachen, im Dialog zu sein, mit der Zeit, dem Material und ihrem Thema, und im Gespräch zu sein mit Menschen. Und man merkt ganz schnell, dass da nichts vorgetäuscht wird, oder in Szene gesetzt. Alles was sie zeigt, und wie sie sich zeigt, ist echt. Geht so etwas also auch noch in den Hochzeiten der Selbstinszenierung?

Sonja Eschefelds Werk wurde in der Rezeption oft schon als unspektakulär bezeichnet. Und wenn ich dieses Wort höre, dann ist mein Interesse sofort geweckt. Meistens ist in unserer Welt des sich ständig überbietenden Tagesgeschreis dann etwas gemeint, was eine eigene, ganz andere Qualität meint. Es geht es dann um Dinge, die ein genaueres Hinschauen einfordern, weil sie etwas mit den Eigenheiten eines Materials und einer Persönlichkeit zu tun haben. Sie haben beim zweiten und jedem weiteren Blick die Eigenschaft, spannend zu werden und zu wachsen und sich in der Zeit nicht abzunutzen.

Mit Sonja Eschefelds Arbeiten geht mir das wieder einmal so. Als ich ihre Skulpturen hier anfing zu stellen, war ich überrascht darüber, wieviel Raum sie einfordern. Ihre Herkunft vom Relief leugnen sie nicht. Doch ist diese flächige Ausrichtung ein Kunstgriff, der es ihnen erlaubt, von gesichertem Grund aus in die Form zu wuchern. Überhaupt scheint es mir, dass die Skulpturen von Sonja Eschefeld den Widerspruch von vegetativer und gebauter Form in sich auf wunderbare Weise aufheben. Sie tragen das prozesshafte ihres Entstehens in sich, wachsen und recken sich in den Raum, verästeln sich, verfestigen sich ohne zu erstarren und werden so zu poetischen Gebilden, schroff und zart, behutsam und kraftvoll zugleich. Zeit scheint ihnen nichts anzuhaben.

Ihre farbigen Blätter, die Collagen und Mischtechniken bündeln die Unruhe der Zeit zu magischen Momenten des Innehaltens. Viel direkter werden hier die täglich auf uns einstürmenden Eindrücke immer wieder neu zusammengesetzt, zerstört, übermalt, neu zusammen gefügt. Das klassische Sujet des Stilllebens gibt den Ausgangspunkt dieser bildnerischen Untersuchungen. Es soll wohl die Ruhe zugrunde legen, die es längst schon nicht mehr gibt. Während dieses permanenten Arbeitens zwischen Zerstreuung und Bündelung, Zerstörung und Beruhigung stellt sich eine fragile Ordnung her. Eine Harmonie entsteht, die die Zerrissenheit unseres Daseins in sich trägt. Das gibt den Bildern ihre vibrierende Spannung, ihre immense Kraft, die übrigens nicht ganz einfach mit den Skulpturen im Raum auszubalancieren war.

Doch das macht es aus. Diese Spannung ist es, die Sonja Eschefeld antreibt. Das ist wohl ihre Art, sich das Leben schön zu machen:

Unablässig arbeiten, weiterarbeiten, Formen erfinden, Farbsplitter sortieren, dem täglichen Wirrwarr, der sich normales Leben nennt, ein Gesicht, wenigstens einen Rhythmus geben, eine Form, die man wirklich und wahrhaftig begreifen kann. Was dabei herauskommt , ist Figur. Geht es um Menschen, (und es geht immer um Menschen), dann wird es Figur.

Hans-Georg Wagner

Bildhauer, Cottbus , 11.10.2015 – Bildhauerkunst beim Filmfestival